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Notdienstverpflichtung aufgrund einer Zweigpraxis

von Martin Voß

Vertragsärzte, die eine Zweigpraxis betreiben, dürfen nicht in größerem Umfang zum Notdienst (Bereitschaftsdienst) herangezogen werden als andere Vertragsärzte mit gleichem Versorgungsauftrag.

Gegenstand der Entscheidung

Die Beteiligten stritten um den Umfang der Teilnahme eines Arztes am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst).

Ein Facharzt für Orthopädie war bereits mit einem vollen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Auf seinen Antrag  hin erteilte ihm die KV die Genehmigung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Zweigpraxis verbunden mit der Verpflichtung, auch im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis am Bereitschaftsdienst teilzunehmen, sofern sich diese in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Vertragsarztsitz befinde.

Sodann erließ die KV  einen Bescheid, wonach der Arzt mit einem  Anrechnungsfaktor von 0,5 einer Bereitschaftsdienstgruppe zugeordnet wurde, so dass diesem im Ergebnis eine Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst mit einem Faktor von insgesamt 1,5 auferlegt wurde. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die KV zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage des Arztes hatte vor dem zuständigen SG Erfolg, das LSG gab allerdings der durch die KV nachfolgend erhobenen Berufung statt und wies die Klage ab.

Das Bundessozialgericht (BSG) hob das Urteil des LSG im Rahmen des Revisionsverfahrens auf und wies die Berufung der KV zurück, so dass der Arzt letztendlich obsiegte (BSG, Urteil v. 13.02.2019, Az. B 6 KA 51/17).

Begründung des Gerichts

Das BSG begründete seine Entscheidung damit, dass die KV den Arzt im Hinblick auf dessen Zweigpraxis nicht in höherem Maße zum Bereitschaftsdienst hätte heranziehen dürfen als andere Ärzte mit voller Zulassung.

Zwar stünden die angefochtenen Bescheide zur zusätzlichen Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis im Einklang mit den Regelungen der BDO-KVB. Diese sei jedoch insoweit mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

Der Arzt sei grundsätzlich zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet. Der Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst dürfe sich jedoch in der Summe nicht an der Zahl der Tätigkeitsorte orientieren. Vielmehr seien Vertragsärzte unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG entsprechend dem Umfang der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Die in § 2 Abs 4 BDO-KVB aF getroffene Regelung sei damit nicht vereinbar und deshalb unwirksam.

Den KVen komme bei der Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die in § 2 Abs 4 BDO-KVB enthaltene Differenzierung zwischen Ärzten, die ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ausschließlich am Vertragsarztsitz nachgehen oder deren Zweigpraxis in demselben Bereitschaftsdienstbereich wie der Praxissitz liegt, und Ärzten, deren Zweigpraxis an einem Ort liegt, der einem anderen Bereitschaftsdienstbereich zugeordnet ist als der Praxissitz, sei mit Art 3 Abs 1 GG jedoch nicht vereinbar. § 2 Abs 2 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 3 BDO-KVB nF lege den Anrechnungsfaktor, der den Umfang der Teilnahme des Arztes am Bereitschaftsdienst bestimmt, grundsätzlich entsprechend dem Versorgungsauftrag fest. Es komme danach zB nicht auf die Zahl der behandelten Patienten, auf den erzielten Umsatz oder den Gewinn aus vertragsärztlicher Tätigkeit an. Auch die Zahl der Tätigkeitsorte zB einer ÜBAG sei nach der BDO-KVB für den Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst ohne Belang

Eine Abweichung von dieser Konzeption regelt § 2 Abs 4 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 7 BDO-KVB nF allein für Ärzte, deren Zweigpraxen in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Vertragsarztsitz liegen. Die Zahl der Orte, an denen ein Arzt bei gleichem Versorgungsauftrag seine Tätigkeit ausübt, sei jedoch kein sachgerechtes Differenzierungskriterium. Erst recht gebe es keinen sachlichen Grund dafür, bezogen auf den Umfang des Bereitschaftsdienstes danach zu unterscheiden, ob der Ort der Zweigpraxis demselben Bereitschaftsdienstbereich wie der Vertragsarztsitz oder aber einem anderen Bereitschaftsdienstbereich zugeordnet wird.

Bedeutung und Tipps für die Praxis

Das BSG hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass auch im Falle der Führung einer Zweigpraxis eine Einteilung zum Bereitschaftsdienst am Ort der Zweigpraxis nicht mit der Folge einer Anhebung des Anrechnungsfaktors vorgenommen werden kann. Entsprechende Beschiede sollten daher auf ihre rechtliche Richtigkeit überprüft und ggfls. im Wege des Widerspruchs bzw. der Klage angegriffen werden.

veröffentlicht von

Martin Voß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Maître en Droit
Vita »

voss@voss-medizinrecht.de

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