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Coronavirus - Merkblatt für Praxisinhaber

von Anwälte Voß.Partner

Rechtliches für Praxisinhaber in Zeiten von Corona
Foto von CDC // Unsplash

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Corona-Krise, insbesondere des jüngst durch die Regierung angeordneten Kontaktverbotes in der Öffentlichkeit, brechen die Patientenzahlen auch in den Arzt- und Zahnarztpraxen erheblich ein, obwohl Arztbesuche weiterhin ausdrücklich erlaubt sind.

Um die Liquidität der Praxen sicherzustellen, sehen sich die Praxisinhaber gezwungen, die laufenden Kosten möglichst gering zu halten. Dies betrifft insbesondere die Personalkosten. Auch können bzw. müssen arbeitgeberseits weitere Maßnahmen ergriffen werden – insbesondere bei der Infektion eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin.

Dieses Merkblatt soll hierzu von rechtlicher Seite informieren.

Kurzarbeit

Rückwirkend zum 01.03.2020 gilt ein erleichtertes Verfahren für Kurzarbeitergeld. Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit und wird – ähnlich wie das Arbeitslosengeld I – an die Beschäftigten bis zu 12 Monate lang gezahlt (in Höhe von 60% des ausgefallenen Nettolohns bzw. 67 % bei Beschäftigten mit Kindern). Für den Arbeitgeber anfallende Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden werden zu 100 % erstattet. Bis die Zahlung seitens der Arbeitsagentur rückwirkend für den beantragten Monat erfolgt, muss der Arbeitgeber jedoch in Vorleistung treten.

Voraussetzungen in Kürze:

  • Erheblicher Arbeitsausfall, vorrübergehend und unvermeidbar
    • mindestens 10 % der Beschäftigten haben einen Arbeitsausfall von mehr als 10 % pro Monat;
    • Urlaub aus dem Vorjahr muss zunächst aufgebraucht werden (danach kann auch während der Zahlung von Kurzarbeitergeld Urlaub angetreten werden), negative Arbeitszeitkonten müssen jedoch nicht aufgebaut werden;
  • In der Praxis ist mindestens ein Mitarbeiter beschäftigt;
  • Mitarbeiter setzen ihre versicherungspflichtige Tätigkeit fort;
    • ab dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld;
    • gilt auch für befristet Beschäftigte.

Betreffend der sich aus den einzelnen Voraussetzungen ergebenden Fragestellungen und Besonderheiten z.B. in Bezug auf vorhandene Überstunden, bei bereits begonnenen Urlaub etc. raten wir dringend an, vor der Stellung eines Antrags auf Kurzarbeitergeld Rücksprache mit dem eigenen Steuerberater oder einem Rechtsanwalt zu halten.

Was muss ich als Praxisinhaber tun ?

Weitere Informationen unter:

https://www.arbeitsagentur.de/datei/kug-corona-virus-infos-fuer-unternehmen_ba146368.pdf

Kündigung von Arbeitnehmern

Können Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Einigung über Kurzarbeit erzielen und ist es dem Arbeitgeber auch im Wege der Ausübung seines Weisungsrechts nicht möglich, den Arbeitnehmer anderweitig (z.B. in geringerem Umfang oder an anderen Betriebsstätten) einzusetzen, bleibt als letztes Mittel nur noch der Ausspruch einer Kündigung.

Hier gilt es zwischen der Änderungs- und der Beendigungskündigung zu unterscheiden: letztere ist auf die vollumfängliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Die Änderungskündigung hingegen zielt auf die Beendigung des derzeitigen Arbeitsverhältnisses und dem gleichzeitigen Angebot einer Weiterbeschäftigung, allerdings zu geänderten Bedingungen, ab.

Aufgrund der verhältnismäßig stärker einschneidenden Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben des Arbeitnehmers ist die Beendigungskündigung einer Änderungskündigung nachrangig. Es gilt daher stets zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung -in geändertem aber zumutbaren Ausmaß- möglich ist.

Für Änderungs- und Beendigungskündigung gelten gleichsam nachfolgende Ausführungen:

Ordentliche / außerordentliche Kündigung:

Abhängig von der Intensität der wirtschaftlichen Schieflage der Praxis kann die Kündigung ordentlich, also unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist, oder außerordentlich, im Zweifel sofort, erfolgen. Letztere kann in der Regel nur wirksam auszusprechen werden, wenn bei Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist eine Existenzbedrohung des Arbeitgebers/der Praxis anzunehmen ist.

Aus dringenden betrieblichen Erfordernissen:

Bei Kündigungen aufgrund der im Zusammenhang mit der „Corona-Krise“ entstandenen wirtschaftlichen Schieflage der Praxis handelt es sich um Kündigungen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen (sog. betriebsbedingte Kündigungen), die zum wirtschaftlichen Erhalt der Praxis erforderlich sind. Diese können, unabhängig ob ordentlich oder außerordentlich, nur wirksam ausgesprochen werden, wenn eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt wurde.

Sozialauswahl:

Vorbehaltlich gesonderter Regelungen für größere Praxen bzw. Praxiszusammenschlüsse (z.B. überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften/MVZ’en), in denen Betriebsräte eingerichtet worden sind, hat der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers eine Sozialauswahl unter den Arbeitnehmern vorzunehmen.

Der Arbeitgeber hat im Rahmen einer Sozialauswahl eine Abwägungsentscheidung zwischen denjenigen Arbeitnehmern zu treffen, die den gleichen (ggf. nach Schulungsmaßnahmen) Tätigkeitsbereich des beabsichtigt zu kündigenden Arbeitnehmers verrichten (können). Der Arbeitgeber hat abzuwägen, welchen dieser Arbeitnehmer eine Kündigung am wenigsten sozial treffen würde; er prüft mithin, welcher Arbeitnehmer am „sozial stärksten“ ist. Zwingende und vom Gesetz (§ 2 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz) vorgeschriebene Kriterien sind:

  • die Dauer der Betriebszugehörigkeit;
  • das Lebensalter;
  • die Unterhaltspflichten und
  • eine Schwerbehinderung.

Diese Kriterien kann der Arbeitgeber unterschiedlich schwer gewichten. Er hat auf Verlangen dem zu kündigenden Arbeitnehmer die Kriterien und die vorgenommene Gewichtung selbiger darzulegen.

Von einer Abwägung ausgenommen werden, können die „Leistungsträger“ des Arbeitgebers. Also die Arbeitnehmer, die insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten, Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb für den Arbeitgeber unabkömmlich sind.

Fazit

Bereits die Wahl des rechten Mittels, also die Frage, ob eine Versetzung im Wege der Ausübung des Weisungsrechts, eine Änderungs- oder eine Beendigungskündigung eines Arbeitnehmers angezeigt ist, stellt den einzelnen Arbeitgeber vor ernste Probleme.

Daneben ist dieser gut beraten, sich im Vorfeld der vorzunehmenden Sozialauswahl anwaltlich beraten zu lassen. Andernfalls drohen zeit-, nerven- und kostenintensive Rechtsstreitigkeiten.

Gerade aber weil aufgrund der derzeitigen Corona-Krise (zumeist) rein extern Umstände die Veranlassung geben, über die Reduzierung des Tätigkeitsumfangs der Praxis nachzudenken und möglichweise eine spätere Wiederbeschäftigung gewünscht ist, sollten arbeitsrechtliche Schritte gut überlegt sein.

Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Wer aufgrund des IfSG einem Tätigkeitsverbot unterliegt oder unterworfen wird, beziehungsweise unter (häusliche) Quarantäne gestellt wurde, und einen Verdienstausfall erleidet und dabei nicht krank ist, erhält grundsätzlich eine Entschädigung. Dies gilt auch für den Praxisinhaber selbst. Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für längstens 6 Wochen die Lohnfortzahlung zu übernehmen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag.

In NRW sind die Landschaftsverbände (LWL und LVR) für die Anträge auf Verdienstausfallentschädigung zuständig, in Niedersachsen die Gesundheitsämter. In den weiteren Bundesländern unterschiedlich, siehe hierzu die Übersicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Coronavirus_Entschaedigung.pdf

Voraussetzungen in Kürze:

  • Behördliche Anordnung (Tätigkeitsverbot § 31 IfSG oder Quarantäne § 30 IfSG);
  • Verdienstausfall;
  • Mitarbeiter ist nicht erkrankt (hier gilt die übliche Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall)

Was muss ich als Praxisinhaber tun?

Weitere Informationen unter:

Zuständigkeitsfinder:

Für sämtliche obig angesprochenen Themenbereiche stehen wir Ihnen selbstverständlich beratend zur Seite – sprechen Sie uns gerne an!

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