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Berechtigung der KVen zur Abrechnungsprüfung zeitlich unauffälliger Quartale

von Sabine Warnebier

Ergibt die Prüfung einer vertragsärztlichen Abrechnung auf ihre Plausibilität in zeitlicher Hinsicht, dass der Arzt bei drei Tagesprofilen die zulässige Tageshöchstarbeitszeit von 12 Stunden überschritten hat und diese Überschreitung auf der Nichtbeachtung einer Zeitvorgabe für den Arzt-Patienten-Kontakt beruht, darf die KV auch die Folgequartale auf diesen Fehler hin untersuchen, auch wenn die Tagesprofile dieser Quartale unauffällig sind.

Gegenstand der Entscheidung

Im zu entscheidenden Fall hatte ein Facharzt für Orthopädie die Obergrenze für Tagesprofile von 12 Stunden an drei Tagen eines Quartals überschritten. Die KV leitete eine entsprechenden Plausibilitätsprüfungsverfahren ein und ermittelte im Laufe des Verfahrens, dass die zeitlichen Überschreitungen wahrscheinlich darauf zurückzuführen waren, dass eine Parallelabrechnung der Gebührenziffern (GOP) 18220 neben dem orthopädischen Ordinationskomplex GOP 18210 bis 18212 stattgefunden hatte, obwohl der Arzt-Patienten-Kontakt weniger als 20 Minuten gedauert hatte.

Sie prüfte daraufhin auch die Folgequartale auf die entsprechenden Parallelabrechnungen und kürzte die Abrechnung des Arztes für 8 Quartale jeweils um die GOP 18220, soweit am selben Tag auch eine Ziffer des orthopädischen Ordinationskomplexes zur Abrechnung gelangte. Der Arzt beschritt gegen diese Entscheidung den Rechtsweg, unterlag aber hiergegen im Wege des Widerspruchs sowie der Klage in sämtlichen Instanzen, zuletzt vor dem Bundessozialgericht (BSG, Urteil v. 24.10.2018, Az. B 6 KA 44/17).

Begründung des Gerichts

Das BSG führte in seiner Entscheidung aus, dass zwar grundsätzlich der Ordinationskomplex bei der Ermittlung der Tagesprofile außer Betracht bleibt. Etwas anderes gelte jedoch, wenn in der Leistungslegende des EBM-Ä oder in einer Anmerkung zu einer einzelnen GOP, die für das Tagesprofil keine Bedeutung hat, im Falle der gleichzeitigen Erbringung einer auch für das Tagesprofil relevanten Leistung insgesamt eine Mindestleistungszeit zugeordnet ist. Dass für eine solche Kombination einer nicht tageszeitprofilgeeigneten Leistung mit einer tageszeitprofilgeeigneten Leistung im Anhang 3 des EBM-Ä keine eigene Prüfzeit vorgesehen ist, sei unschädlich, wenn und soweit sich die verbindliche Mindestzeit für die Leistungserbringung aus dem EBM-Ä selbst, nämlich hier aus der Anmerkung zu GOP 18220 ergibt.

Aus dem Umstand, dass der Abrechnung des Ordinationskomplexes neben der Beratung nach GOP 18220 eine Mindestzeit von (zusätzlichen) 10 Minuten zugeordnet ist, folge notwendig, dass die Abrechnung des Ordinationskomplexes in dieser Konstellation auch für das Tageszeitprofil Bedeutung gewinne. Wenn der Arzt an einem bestimmten Tag den für die Berechnung des Ordinationskomplexes obligaten Leistungsinhalt eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts erbringt und zusätzlich eine Beratung nach GOP 18220 abrechnet, müsse dem an diesem Tag eine Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten zugrunde gelegen haben, und das sei für das Zeitprofil dieses Tages von Bedeutung.

Wegen der Unrichtigkeit der Abrechnung des Klägers sei die Beklagte berechtigt gewesen, diese zu korrigieren und überzahltes Honorar zurückzufordern. Grundsätzlich erfordere die sachlich-rechnerische Richtigstellung iS des § 106a Abs 2 SGB V aF kein Verschulden des Vertragsarztes. Wenn er jedoch zumindest grob fahrlässig gehandelt hat, dürfe die KÄV den Umfang der Unrichtigkeit schätzen, und ihr komme insoweit das für jede Schätzung kennzeichnende Ermessen zu Gute.

Das BSG ließ auch die Argumentation des Arztes, seine Praxissoftware habe keine Auffälligkeiten angezeigt, nicht gelten sondern verwies darauf, dass auch dieser Umstand den Arzt nicht von seiner Verantwortung für eine korrekte Abrechnung freistellen könne.

Bedeutung und Tipps für die Praxis

Das BSG hat mit seiner Entscheidung ein weiteres Mal die Prüf- und Regressmöglichkeiten der KVen gestärkt und den Ermessenspielraum weit gezogen. Der Arzt wurde im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Einwand gehört, dass seine Praxissoftware kein Auffälligkeiten angezeigt habe.

Allein die Rückmeldung der Praxissoftware, dass die Tages- und Quartalsprofile unauffällig sind, sind also keine Garantie, dass in späteren Prüfverfahren keine Auffälligkeiten gefunden und regressiert werden können.

Bei der Abrechnung sollten daher die Zeitvorgaben des EBM-Ä sowie der Anmerkungen zu den einzelnen GOP unbedingt geprüft und eingehalten werden.

veröffentlicht von

Sabine Warnebier
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Mediatorin
Vita »

warnebier@voss-medizinrecht.de

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